Russischer Blues in der Tufa von Frank Bethmann
Am Abend des Pfingstsonntag wurde den Gästen in der Tuchfabrik ein ganz besonderer Ohrenschmaus zuteil: Yuri Naumov, Gitarrenvirtuose und Sänger, gab sein erstes Gastspiel in Trier. Nach einer kurzen Ankündigung betrat Naumov die Bühne des restlos ausverkauften kleinen Saals der Tufa. Vom ersten Stück an erntete der sympathische Künstler frenetischen Applaus und ungläubiges Starren einiger Gäste. Alexander Kasper, Arzt im Brüderkrankenhaus und selbst Gitarrist, konnte es kaum glauben: „Und ich dachte, ich könnte Gitarre spielen!“ Was der mit sichtlicher Spielfreude agierende Naumov bot, war aber auch unglaublich: Egal, ob treibender Boogie oder melancholischer Blues, er kombinierte Klangmalerei, Intuition und elektronische Effekte mit eindeutig übermenschlicher Fingerfertigkeit und erzeugte so scheinbar mehrere Instrumentalstimmen gleichzeitig. Er verband das an sich einfache Grundgerüst des Blues mit auf Trierer Bühnen vermutlich bis dato ungesehener Virtuosität – und lächelte die ganze Zeit entspannt, als ob es nichts leichteres gäbe, als so Gitarre zu spielen wie er. Und als wäre das nicht genug, sang Naumov auch noch; sein Gesangstil erinnerte an das experimentelle französische Chanson der 60er Jahre. Dass seine überwiegend russischen Texte vom Publikum nicht verstanden wurden, tat dem Gesamtgenuss keinen Abbruch. Renate Rosshirt meinte: “Seine Musik versteht man auch ohne die Worte. Ich hätte mich geärgert, wenn ich nicht gekommen wäre.“ Allerdings stieß der gewöhnungsbedürftige Gesang im Publikum nicht auf ungeteilte Anerkennung: „Also, instrumental gefällt er mir am besten.“, sagte Sabine Bittner. Nach einer kurzen Pause ging es ungewöhnlich weiter: Psychedelische Stücke mischten beinahe indisch klingende Harmonien mit Naumovs filigraner Technik. Aber auch wenn seine Finger immer merklich schneller waren als die Augen des gebannt lauschenden Publikums, die Fingerfertigkeit wirkte nicht aufgesetzt und war nie Selbstzweck, sondern diente dazu, vor dem geistigen Auge der Zuhörer Bilder zu malen. So ‘hörte’ man beim „Ping Pong Blues“ dann auch tatsächlich ein solches Spiel, während „New York, 5th Avenue“, einer der Höhepunkte des Abends, mit seinem treibenden Rhythmus und rasenden Läufen dann auch die hektische Verkehrsader der amerikanischen Metropole gekonnt akustisch darstellte. Nach dem Konzert zeigte sich der Autodidakt sowohl von dem zahlreichen Erscheinen als auch von der „Intelligenz und Ausdauer“ des Trierer Publikums beeindruckt und will sich am Pfingstmontag die Stadt Trier ansehen. Ullrich Carl aus Gusterath, Initiator und Organisator des Abends (TV berichtete) war laut eigenem Bekunden überwältigt vom Anklang und fügte außerdem hinzu: „Im Vorfeld wurde mir gesagt, ich könne froh sein, wenn ich den Saal halb voll kriege.“ Etwa die Hälfte der 120 Zuhörer waren von ihm selbst eingeladen worden und teilweise sogar aus Luxemburg, Frankreich und Holland angereist. Vielleicht auch wegen der äußerst positiven Resonanz hat Herr Carl am Organisieren Spaß gefunden: Im November wird Naumov voraussichtlich in Koblenz und Luxemburg auftreten – für Freunde innovativer Musik ist das ganz sicher eine Reise wert. Eigentlich muss man ihn live gesehen haben, um den eigenen Ohren glauben zu können, dass da „wirklich nur einer spielt“. Falls man aber auch zu Hause staunen möchte, seine CDs sind unter www.russianblues.com erhältlich. In Trier verließ Naumov ein ebenso begeistertes wie erschöpftes Publikum – denn auch wenn er sich häufig einer eindeutigen Kategorisierung entzieht, eins ist Yuri Naumov ganz sicher nicht: easy listening. Und das ist auch gut so.
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